24.07.2015

Spurensuche auf dem Gottesacker

Der Friedhof der Brüdergemeine sorgt für Überraschungen und kann viel über Nieskyer und Niesky erzählen. Dabei hilft jetzt ein Gottesackerführer.

Von Carla Mattern

Damit hatte niemand gerechnet. Nach heutigem Stand liegen 3 518 Frauen und Männer auf dem Nieskyer Gottesacker, gut 1 000 mehr, als noch im November 2013 angenommen. Es sind allesamt Schwestern und Brüder, wie sich die Mitglieder der Nieskyer Brüdergemeine nennen. Jede und jeder, der in Niesky sein Leben vollendete, liegt begraben auf dem Friedhof der Brüdergemeine. Nur ein Jahr nach der Gründung von Niesky wurde 1743 der Gottesacker angelegt. Und von allen Bestatteten existiert noch eine Grabplatte. Auf manchen kann man die Inschrift nur noch erfühlen, andere sind gut lesbar. Nach einigen dieser Tafeln wurde gesucht, denn sie lagen nicht da, wo sie nach den Regeln und Plänen hätten liegen müssen.

Hans-Jürgen Franz, der Archivar der Brüdergemeine, beschäftigte sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit dem Gottesacker. Das Ergebnis liegt jetzt vor: ein Gottesackerführer. Mit dem können sich Interessierte den historischen Schatz eigenständig erschließen. 46 der Gräber sind mit Platten versehen, auf denen Ziffern stehen. In der Broschüre zum Gottesacker ist zum einen beschrieben, wo man dieses Grab auf dem Friedhof findet und zum anderen auch ein kurzer Abriss über die Person nachzulesen. Spannend nicht nur für Historiker, Heimatforscher und Hobbyfamilienforscher: Grundlage für diese kurzen Biografien sind Lebensläufe. Einen Lebenslauf schreibt zeitlebens jede Schwester und jeder Bruder. Bei der Trauerfeier wird daraus vorgelesen, jetzt sind sie in den Gottesackerführer eingeflossen. Das ist Stadtgeschichte, unverzerrt von gesellschaftlichen Einflüssen, dafür natürlich geprägt von persönlichen Erlebnissen, Sichtweisen, Einstellungen.

Am Mittwoch stutzten die Landschaftsgärtner Sascha Halke und Jürgen Kranich auf dem Friedhof die Hecke und mähten mit dem Rasentraktor verdorrtes Gras. Bis Ende der Woche werden sie mit ihren Pflegearbeiten auf Nieskys ältestem Friedhof fertig werden, sagt Sieglinde Eichler. Sie ist Vorsteherin der Nieskyer Brüdergemeine und lässt als Nächstes dann eine Infotafel am Haupteingangstor des Gottesackers aufstellen. Die Grabplatten sind dann wieder freigelegt und für Neugierige für die Spurensuche auf dem Friedhof bereit.

Gottesackerführer gibt es zum Preis von drei Euro im Pfarramt am Zinzendorfplatz 2 und in der Kirche der Brüdergemeine.