19.10.2017

Nieskys neue Pfarrerin

Ihr 14. Umzug führt Christine Pietsch in die Kleinstadt, die keine unbekannte für sie ist. In Emmaus war sie schon tätig.

Von Steffen Gerhardt

Sie muss kurz nachrechnen, dann sagt Christine Pietsch die Zahl 14. Ja, es ist ihr 14. Umzug, der sie vor vier Wochen nach Niesky führte. „Meinen ersten Umzug hatte ich mit sechs Wochen, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt sie lachend. Von den Jahren der Kindheit mal abgesehen, war das Umziehen bei ihr immer beruflich bedingt oder durch Ausbildung und Studium.

Getauft und aufgewachsen im schwäbischen Bad Bollauf, sah sie beizeiten ihre berufliche Zukunft im Dienst der Kirche. „Gleich nach dem Abitur habe ich ein Diakonisches Jahr in einem Altenheim in meiner Heimatstadt absolviert. Dem schloss sich ein Theologiestudium und das Examen in Tübingen an sowie das Vikariat in Neuwied am Rhein“, erzählt sie. Um als Pfarrerin tätig zu werden, besuchte sie das Predigerseminar und legte dort ihr zweites Examen ab. Ihr Arbeitgeber war und ist die Brüdergemeine. Mit ihr ist sie auch aufgewachsen, denn ihr Vater war Küster und Hausmeister bei der Brüderunität – in ihrem westlichsten Direktionssitz in Deutschland.

Seit vier Wochen ist Christine Pietsch Pfarrerin in Niesky, im östlichsten Sitz der Brüdergemeine. Aber so unbekannt ist Niesky für sie nicht. Eine Tante von ihr lebt hier, und außerdem hat sie in Niesky bereits gearbeitet. Nach ihrem Vikariat kam sie 1995 in die Diakonissenanstalt Emmaus und wechselte ein Jahr später in den Sitz der Brüdergemeine in Herrnhut. „Daher freut es mich, wenn ich jetzt Bekannte aus meiner Zeit bei Emmaus wieder treffen kann“, sagt Christine Pietsch. Denn bevor sie in die Oberlausitz zurückkehrte und auf die Pfarrstelle in Niesky berufen wurde, war sie für neun Jahre Pfarrerin in Zwickau. „Jetzt wissen Sie auch, warum ich auf 14 Umzüge komme“, erklärt die heute 52-Jährige.

Der stetige Ortswechsel ließ Christine Pietsch wohl keine Zeit für eine Familie, sie lebt allein. Ganz allein fühlt sie sich aber nicht, denn ihre Wohnung im Nieskyer Pfarramt teilt sie mit zwei Nymphensittichen. „Sie gehören bei mir einfach dazu. Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich Nymphensittiche. Den ersten schenkte mir mein Vater. Sie sind relativ pflegeleicht und lieben die Geselligkeit. Nur wenn ich verreise oder im Urlaub bin, brauche ich jemanden, der sie in Pflege nimmt“, erzählt sie über Laura und Freddy – und muss dabei schmunzeln: „Laura wurde mir als Männchen verkauft, bis ich merkte, dass er auf einmal Eier legte.“ Damit sitzt seit einigen Jahren ein Pärchen in ihrem Käfig, ohne dass es Christine Pietsch gleich bemerkte.

Ihre beiden Sittiche sind öfters mal in Pension, denn die Pfarrerin reist viel. Ihr Ziel sind dabei die Länder, in denen die Brüdergemeine vertreten ist beziehungsweise Einrichtungen unterhält. So war sie bereits in Holland, England und den USA, aber auch in Albanien, Australien und Nicaragua. Sie besuchte Suriname und vor Kurzem Tansania. Was sie dort erlebte und welche Begegnungen sie hatte, darüber möchte Christine Pietsch gern in Niesky berichten. In einem Vortrag über das Land, den sie am 25. November halten will. Reisen bildet, sagt sich die Theologin. Vor allem, wenn sie den Kontakt zu den Menschen sucht und sie in ihr Leben mitgenommen wird.

Diese Erfahrungen möchte sie in ihre Arbeit in Niesky einfließen lassen – und diese ist sehr umfangreich. Denn als Pfarrerin ist sie nicht nur für die Gottesdienste, Veranstaltungen der Gemeinde und die Arbeit mit Konfirmanden zuständig. „Ich bin auch in der Seelsorge tätig und der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit. Hinzu kommt meine Funktion als Stellvertreterin im Ältestenrat und das Knüpfen ökumenischer Kontakte“, setzt sie die Aufzählung fort. Die Evangelische Brüdergemeine ist nicht die einzige Kirchgemeinde in Niesky. Dass in der Stadt mehrere Glaubensgemeinschaften zu Hause sind, ist ein Zeichen der Offenheit der Nieskyer.

Christine Pietsch ist nun zuständig für rund 350 Glieder der Evangelischen Brüdergemeine. Die Kirchenarbeit will sie wieder in ein ruhiges Fahrwasser bringen, nachdem durch die Krankheit ihres Vorgängers doch einige Unsicherheiten aus der Kirchgemeinde zu hören waren.

Ob sie ein 15. Mal umziehen wird, darauf will sich die Schwäbin nicht festlegen. „Jetzt bin ich in Niesky angekommen und möchte meine Arbeit mit den Menschen hier beginnen. Es gibt noch vieles für mich zu entdecken und kennenzulernen.“