03.11.2022, 14:00
Nieskys Gründer diskutieren über ihren Namen
Die Stadt ist von der Herrnhuter Brüdergemeine einst gegründet worden. Jungen Mitgliedern fehlen die Schwestern im Namen der Kirche. Nun werden Alternativen diskutiert.
Von Steffen Gerhardt
Während die Görlitzer Innenstadtgemeinde am Sonntag bereits feiern kann, steht die Brüdergemeine in Niesky noch am Anfang ihrer Bemühungen, den desolaten Glockenstuhl aus Stahl von 1906 durch einen aus Holz zu ersetzen. Sie ruft nun im Internet zu Spenden für die Kirche am Zinzendorfplatz auf. Wie Projektkoordinator Dietmar Westphal berichtet, handelt es sich um weitere 15.000 Euro, für die Sponsoren gesucht werden. „Wir sind als kleine Kirchgemeinde mit rund 350 Mitgliedern nicht in der Lage, alle Kosten selbstständig zu tragen. 25.000 Euro haben wir in der Gemeinde bereits gesammelt.“
So kommt die Gesellschaft an diesem Wochenende erstmals in Niesky zusammen. Und wird sich gleich mit den Wurzeln der Stadt in der Herrnhuter Brüdergemeine befassen. Zu Beginn an diesem Freitag geht es bei einem Stadtrundgang beispielsweise zu Brüderkirche und Brüderhaus, wo die evangelische Freikirche noch am stärksten in der Stadt zu spüren ist. Anschließend berichtet die Bautzener Wissenschaftlerin Lubina Mahling von dem religiösen Aufbruch im 18. Jahrhundert, als die evangelischen Glaubensflüchtlinge aus Mähren und Böhmen auf Besitz des Grafen Zinzendorf in Herrnhut Zuflucht fanden und später auch Niesky gründeten. Am 16. Mai 1742 wurde das beschlossen. Ohne die Brüdergemeine gäbe es heute womöglich kein Niesky, sicher aber nicht das bekannte Niesky.
Genau in diesem Moment, wo Niesky wieder etwas stärker auf sein Erbe verweist, treibt die Herrnhuter Brüdergemeine ein anderes Thema um: ihr Name. Da werden nur Brüder erwähnt, aber keine Schwestern. Das kritisieren vor allem jüngere Mitglieder der Kirche, die Wert auf einen geschlechterneutralen Namen legen. Die Jugend wagte nun einen Vorstoß, die aus dem 18. Jahrhundert stammende Namenstradition vom Sockel zu holen. Einen entsprechenden Antrag reichten die Herrnhuter bei der Synode in diesem Jahr ein, dem Gremium aus gewählten Laien und Geistlichen in evangelischen Kirchen.
Die Synode beauftragte die Direktion in Herrnhut, einen Gesprächsprozess über den künftigen Namen ihrer Kirche in den einzelnen Gemeinden in Gang zu setzen, erklärt Benigna Carstens als Leiterin der Herrnhuter Direktion. Ein kleiner Fragebogen ist dazu im Umlauf, auf dem man auch selbst einen Namen vorschlagen kann. Diese Umfrage läuft noch bis Ende November. Im Dezember soll die Auswertung erfolgen. Erst 2024 könnte ein neuer Name beschlossen werden.
Nieskyer Gemeinde spricht sich für bisherigen Namen aus
Wenn es denn dazu kommt. Denn der Rat der Nieskyer Brüdergemeine hält nach breiter Diskussion an dem bisherigen Namen fest, erklärt Pfarrerin Christine Pietsch. Von den Kosten und dem bürokratischen Aufwand mal abgesehen, so die Nieskyer Argumente, weist der Name "Gemeine" bereits auf die Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern hin, auch wenn die Schwestern nicht explizit genannt sind. Das Brüderhaus am Zinzendorfplatz wird weiterhin so heißen, zumal es ursprünglich Wohnstätte der Brüder war. Auch die "Brüderkirche" wird diesen Namen weiter tragen, obwohl sie eigentlich Kirche der Evangelischen Brüdergemeine Niesky heißt. Aber das ist den Nieskyern viel zu lang.
Ob die gesamte Kirche wie die Nieskyer denkt, wird man erst noch sehen. Alternativen für den bisherigen Namen könnten im Ausland gefunden werden. So hat sich in anderen Gemeinden der weltweit vertretenen Brüder-Unität der Name der "Moravian Church" erhalten. Das ist der englische Name, der auf den geografischen Ursprung der Glaubensflüchtlinge hinweist. Sie kamen aus Böhmen und Mähren.
Auch im Spanischen (lglesia Morava) und im Französischen (Eglise morave) sind diese Bezeichnungen zu finden. Ansonsten ist es in Europa bei den "Brüdern" geblieben. Die Bezeichnung "Brüdergemeine" gänzlich zu streichen, macht hingegen wenig Sinn, findet Frau Carstens. Weil allein mit "Herrnhuter" alles und nichts bezeichnet werden kann.
Diskussion um Inhalte der Kirche
Zwar steht der Name im Vordergrund der Umfrage. Benigna Carstens ist es aber ebenso wichtig, dass mit dem Fragebogen gleichfalls eine Diskussion um Inhalte und die Zukunft der Brüdergemeine begonnen hat. Denn auch die Brüder-Unität steht wie alle Kirchen in Europa vor der Frage, ob und wie sie in der Zukunft gebraucht wird.
Ob es bei dem bisherigen Brüder-Namen bleibt oder nicht, das wird nicht vor 2024 auf einer Synode entschieden. Vielleicht findet bei der ganzen Namensdiskussion das kleine "d" in die Gemeine zurück. Sein Fehlen ist der Sprache im 18. Jahrhundert geschuldet. Damals sagte man "Gemeine". Erst später setzte sich der Begriff "Gemeinde" durch.
In Niesky könnte die fehlende Gleichberechtigung am Zinzendorfplatz auch baulich wieder hergestellt werden: mit dem Neubau des Schwesternhauses an der Ecke zur Poststraße. Das wurde in den letzten Kriegstagen zerstört und wartet seitdem auf seine Wiederauferstehung. Aber bisher fehlen Investor, das Geld und eine Idee für die Nutzung des Gebäudes.